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Vereinigung Akademischer Mittelbau der Universität Zürich

Licht aus! – Spot an?

Wolfgang Fuhrmann, Ko-Präsident VAUZ berichtet über den Anlass "Es ist unsere Zukunft - jetzt reden wir"
Unter dem Titel „Es ist unsere Zukunft- Jetzt reden wir“ fand am 2.10.2014 im Berner Kursaal eine hochkarätig besetzte, halbtägige Veranstaltung statt, auf der über die Konsequenzen der Masseneinwanderungsinitiative für den Forschungsstandort Schweiz diskutiert wurde. Organisiert wurde die Tagung von der Veterinärmedizinerin und frischgewählten Dekanin der Vetsuisse Prof. Dr. Brigitte von Rechenberg in Zusammenarbeit mit der Schweizer Forschungsagentur EURESEARCH, die den Zugang zu Förderprogrammen der EU koordiniert.
In ihrer kurzen Eröffnungsrede erinnerte Frau von Rechenberg eindringlich daran, dass sich das Ergebnis der Initiative nun gegen den Schweizer Nachwuchs richtet, der damit um den Erwerb einer der wichtigsten Kompetenzen beraubt wird, die eine Wissenschaftlerin/Wissenschaftler benötigt – Vernetzung und internationale Berufserfahrung.

Den Auftakt in einer Reihe von insgesamt acht Kurzvorträgen und Präsentationen machte der Schweizer Unternehmer Hansjörg Wyss. In unerwarteter Schärfe griff er mit seinem Vortrag „Wir verbauen unseren Kindern die Zukunft“ die Initiatoren der Masseneinwanderungsinitiative an. Wyss monierte den fortwährend negativen Unterton Schweizer Entscheidungsträger in ihren Äusserungen zu der EU und wünschte sich Bekenntnisse, die deutlich machten, dass die Schweiz in den letzten Jahrzehnten in besonderem Masse von der EU profitiert habe. Angesichts der aussergewöhnlichen Leistungen, die bis heute im Land durch Einwanderer erbracht werden, forderte Wyss eine Rückbesinnung zu den Werten der Bundesverfassung, die sich u.a. dazu verpflichtet, Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken.
Die beiden Rektoren der EPFL und der Universität Zürich, Patrick Aebischer und Michael Hengartner, waren sich in ihren darauffolgenden Reden darüber einig, dass die hohe Qualität der Schweizer Universitäten massgeblich durch die europäische Besetzung der Fakultäten und dem Austauschprogramm Erasmus gewährleistet wird. Das gute Abschneiden der Schweizer Universitäten in den internationalen Rankings sei auch Erasmus und der Teilnahme an Horizon 2020 zu verdanken. Wenn man die hohe Qualität des Wissenschaftsstandortes Schweiz langfristig sichern möchte, ist Europa der Schlüssel.

Der top-down Perspektive folgten im Anschluss drei Tandem-Präsentationen, in denen junge Forschende gemeinsam mit Vertretern ihrer jeweiligen Forschungseinheiten einen Einblick in ihre individuellen Projekte gaben. Alle drei konnten überzeugend darstellen, dass ohne internationale Vernetzung, ihre eingeschlagenen wissenschaftlichen Karrieren nicht realisierbar gewesen wären. Die Präsentationen zeigten aber auch, dass für staatliche Forschungseinheiten (z.B. EMPA) wie für mittelständische Unternehmen ein verschlossener Zugang zum Europäischen Markt kaum zu verkraften ist bzw. das unternehmerische Aus bedeutet.

Jean-Marc Rapp, Präsident von EURESEARCH und Rektor der Universität Lausanne, argumentierte in seinem Kurzvortrag mit Fakten und Grafiken. Am Beispiel des BIP und des Globalization Index zeigte er, dass kleine Länder wie die Schweiz nur deshalb ein hohes BIP erzielen, weil sie global handeln. Die Erfolgsgeschichte der kleinen Schweiz sei, so Rapp, die Geschichte der Innovation, die kleine Länder brauchen, um zu überleben.
Thierry Courvoisier, Präsident der Akademie der Wissenschaften Schweiz, verwies in dem letzten Vortrag des Tages auf die Wechselwirkung von lokaler Wissensproduktion und ihrer Überprüfung und Verwendung im internationalen Umfeld. Forschung ist situativ gebunden und wird von der jeweiligen Kultur mitgeprägt, in der sie entsteht. Damit aber Wissenschaft ihre Wirkung entfalten kann, muss das Lokale überwunden werden. Überprüfung, Validität und Universalität von Forschungsergebnissen benötigen eine internationale scientific community.
Zur Abschlussdiskussion wurden alle Teilnehmenden auf das schwach beleuchtete Podium gebeten. Thomas Hengartner erinnerte daran, dass die Krise nicht überstanden sei, denn die ausgehandelte Zwischenlösung zwischen EU und der Schweiz zu Horizon 2020 sei vorerst nur bis 2016 gültig. Einigkeit herrschte darüber, dass Wissenschaft und Forschung das Wahlverhalten der Schweizer Bevölkerung unterschätzt haben, ebenso die Wirkung einer gezielten Informationspolitik, der es seit Jahrzehnten erfolgreich gelingt, Ängste und Vorurteile in der Öffentlichkeit zu schüren. Auch wenn die Bedeutung der Schweizer Forschung und Universitätspolitik nur einen kleinen Teil im Entscheidungsprozess der Wählenden ausmachte, muss man von nun an jede Chance nutzen, öffentlichkeitswirksam auf die Konsequenzen der Initiative hinzuweisen oder gar das Votum durch einen neue Initiative zu kippen. Die Vorschläge der Redner und des Publikums reichten von einer stärkeren Aktivierung der jungen Forschenden über populäre Kommunikationsstrategien, die in der Öffentlichkeit verstanden werden bis hin zu einer engagierten Diskussion und Konfrontation am Albisgüetli.

Auch wenn das Fehlen der Geistes- und Sozialwissenschaften in der Reihe der Vortragenden zu Recht beklagt wurde, ebenso hätte man actionuni der Schweizer Mittelbau anfragen können, wurde ein Ziel der Tagung erreicht. Die Berichterstattung in der Tagespresse (Blick, Tagesanzeiger), die in Hansjörg Wyss bereits eine Art Anti-Blocher sieht, zeigt, dass Wissenschaft durchaus in der Lage ist, Öffentlichkeit herzustellen – wenn man es nur will. Sollte es aber nicht gelingen, die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit weiterhin überzeugend zu vermitteln, dann sprach das Bild der auf dem unbeleuchteten Podium sitzenden Teilnehmer an diesem Tag Bände: ein Forschungsstandort Schweiz, dem auf lange Zeit das Scheinwerferlicht versagt bleiben wird.

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